Die Arbeitswelt der Zukunft
Vom 13. bis 14. September 2019 debattierten zu diesem Thema Kolpingschwestern und -brüder in Fulda über Möglichkeiten und Grenzen der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit, Sorgearbeit und Engagement.
Über 50 Teilnehmende fanden den Weg in das Kolping-Parkhotel Fulda und beteiligten sich an der Diskussion zu einem für den Verband zentralen Thema: Wie kann das Verhältnis zwischen Erwerbsbiographie, sorgenden Tätigkeiten (Erziehung, Pflege und Betreuung) sowie Engagement für Kirche und Gesellschaft zukünftig gestaltet werden? Grundlage der Tagung bildete ein gleichnamiges
Arbeitspapier, welches unter Kommentierung aller Bundesfachausschüsse erarbeitet wurde. Zudem hatten sich die Bundesfachausschüsse vorab in eine Anhörung eingebracht, in deren Rahmen Professorin Ursula Münch Fragen zur Thematik der Tagung beantwortete. Auch diese ersten Ergebnisse flossen in das Arbeitspapier mit ein.
Im Rahmen von Impulsvorträgen nahmen auf der Tagung die folgenden Experten zur ersten schriftlichen Grundlage Stellung:
- Silke Raab, Abteilung Frauen, Gleichstellungs- und Familienpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund, Bundesvorstandsverwaltung in Berlin,
- Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfeldes Arbeitsmarkt und Arbeitswelt am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln,
- Professorin Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Christliche Gesellschaftslehre an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg.
Silke Raab ging es aus Perspektive der Gleichstellungspolitik um bestehende Ungleichheiten und die Rolle von Männern und Frauen. Sie verwies beispielsweise darauf, dass etwa zwei Drittel der Frauen aktuell nicht genug Einkommen generieren, um ihre Existenz eigenständig langfristig zu sichern. Zwar nähmen immer mehr Väter in der Erziehung ihrer Kinder eine aktivere Rolle ein, dies sei jedoch ein zu langsamer Wandel. Ihr zufolge geht es nicht um eine „Vereinbarkeit“ der drei Arbeitsformen, sondern um eine Umverteilung.
Oliver Stettes ging zunächst auf die wirtschaftliche Ausgangslage der Bundesrepublik Deutschland ein. Insbesondere die Auswirkungen des demographischen Wandels seien ihm zufolge zu berücksichtigen. Familienfreundlichkeit sei für viele Unternehmen bereits ein wesentlicher Faktor. Allerdings dürfe sich – so Oliver Stettes – der Staat nicht aus der Verantwortung ziehen, wenn es um die Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder geht.
Aus sozialethischer Perspektive ging Professorin Ursula Nothelle-Wildfeuer insbesondere auf die Enzyklika Laborem Exercens ein. Sie hob die Bedeutung des Sabbats als dritte Zeit zwischen Arbeit und Muße hervor. Mit Blick auf die Debatte um einen sogenannten „Atmenden Lebenslauf“ resümierte sie – in Anlehnung an den verstorbenen Kardinal Karl Lehmann: Die Realisierung eines solchen Modells
könne „ein Stück vom Himmel offenhalten“.
Anschließend kamen die Teilnehmenden zu einer Gruppenarbeit zusammen. In einem offenen Austausch wurden zunächst wesentliche Aspekte zu den drei Teilbereichen (Erwerbsarbeit, Sorgearbeit und Engagement) benannt. Anschließend erarbeiteten die Teilnehmenden die folgenden Forderungen, die an dieser Stelle in Auszügen wiedergegeben werden:
Erwerbsarbeit
- Ehrenamt und Sorgearbeit sollen mit Blick auf die Rente berücksichtigt werden. (Hier ist jedoch die Art ehrenamtlichen Engagements zu berücksichtigen).
- Alle Einkommensarten sind bei der Berechnung der Rente einzubeziehen.
- Stärkere Förderung der Erwachsenenbildung und Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die bislang als ungelernte Arbeitskräfte von prekären Beschäftigungsformen abhängig sind, ist notwendig.
- Möglichkeiten eines sozialen Arbeitsmarktes sollen genutzt werden.
- Erwerbstätige müssen darin unterstützt werden, für ihre „Work Life Balance“ eigenverantwortlich Sorge zu tragen.
Sorgearbeit
- Geleistete Sorgearbeit ist ein bedeutsamer Bestandteil der generativen Leistung von Familien für die Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund muss es zu einer höheren Anrechnung der geleisteten Sorgearbeit mit Blick auf die Rente kommen.
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind dabei zu unterstützen, ihre Entscheidung für familiäre Sorgearbeit gegenüber ihrem Arbeitgeber zu kommunizieren.
- Familiäre Pflege darf für die Pflegenden nicht zu Armut führen.
- Sorgearbeit muss gesellschaftlich – auch finanziell – stärker anerkannt werden.
Engagement
- Der Bundesfreiwilligendienst muss gestärkt werden.
- Der freie Sonntag muss erhalten blieben.
- Ein Grundeinkommen muss innerverbandlich diskutiert werden.
- Ehrenamt/Engagement für die Gesellschaft darf nicht zum Ersatz für sozialpolitische Leistungen des Staates werden.
- Die vom Bund gegründete Ehrenamtsstiftung ist ein richtiges Signal. Die Förderung des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) für den Bereich „Engagement und Gesellschaft“ ist weiter auszubauen.
Für das Kolpingwerk Deutschland handelt es sich bei den genannten Bereichen um Kernthemen des Verbandes. Die spannenden Arbeitsergebnisse werden im verbandlichen Zukunftsprozess „Kolping Upgrade“ eingespielt, innerverbandlich weiter diskutiert und geschärft.